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Wenn sich dieselben Streits immer wiederholen – Der Konfliktzirkel in Beziehungen

„Wir drehen uns im Kreis …“

Manche Paare sagen in der ersten Sitzung: „Wir lieben uns eigentlich – aber wir landen immer wieder beim selben Streit.“ „Es ist, als ob wir ein Drehbuch hätten.“ „Ich sag etwas – und zack, reagiert sie sofort.“ „Ich fühle mich nicht verstanden – und er denkt, ich übertreibe.“

Das, was am Anfang faszinierend war – dass der andere so anders denkt, fühlt, lebt – wird auf einmal zur Belastung.

Und dann beginnt der Konfliktzirkel.


Warum wir genau die Menschen anziehen, die uns am meisten herausfordern

In der Anfangszeit fühlt es sich oft magisch an: Der eine bringt Struktur und Ruhe, die andere Lebensfreude und Spontaneität. Die eine will Nähe und Reden, der andere Freiheit und Rückzug.


Gegensätze ziehen sich an – das ist kein Zufall. Häufig treffen sich in einer Partnerschaft zwei Menschen mit unterschiedlichen, noch nicht gelösten Entwicklungsaufgaben.


Beispiel:

  • Du hast gelernt, dich stark anzupassen – dein Partner steht für Klarheit und Abgrenzung.

  • Du wünschst dir Nähe und Sicherheit – dein Partner braucht Freiraum und Rückzug.

In der Verliebtheit wirkt das ergänzend.Später: triggert es.


Was ist der Konfliktzirkel?

Der Konfliktzirkel beschreibt eine wiederkehrende Dynamik, in der zwei Partner – oft unbewusst – sich gegenseitig in alte Muster ziehen.

Typisch ist:

  • Es beginnt mit einem Gefühl: z. B. „Ich werde nicht gesehen.“

  • Darauf folgt eine Reaktion: z. B. Rückzug, Vorwurf oder Anpassung.

  • Der andere fühlt sich dadurch unter Druck oder abgewertet – und reagiert mit seiner Strategie.

  • Und so dreht sich das Ganze im Kreis.

Je öfter dieser Kreislauf passiert, desto schneller läuft er ab. Und desto schwerer wird es, wieder auszusteigen.


Was hilft?

  1. Verstehen, was da passiert Es ist entlastend zu merken: Ah, das ist nicht einfach „mein Partner ist schwierig“ – sondern ein System, in dem wir beide feststecken.

    In der Paartherapie schauen wir genau hin:

    • Was war der Auslöser?

    • Was hast du gefühlt, gedacht, gemacht?

    • Wie hat dein Verhalten den anderen beeinflusst – und umgekehrt?

    Oft hilft ein Rollenspiel oder eine konkrete Konflikt-Analyse, bei der wir Satz für Satz, Reaktion für Reaktion nachverfolgen, wie der Zirkel abläuft – und wo es Auswege gibt.

  2. Die Kehrseite sehen Was uns nervt, hat oft eine andere Seite:

    • Die „ewige Nörglerin“ ist auch die, die für Verbindung sorgt.

    • Der „rücksichtslose Rückzieher“ ist vielleicht der, der Räume schafft.

    Wenn Paare das erkennen, entsteht wieder Wertschätzung – auch für die Unterschiede.

  3. Jeder darf wachsen – nicht nur reagieren Ziel ist nicht, dass der eine sich ändert und der andere „so bleibt“.Sondern dass beide Partner an ihrer eigenen Entwicklungsaufgabe arbeiten.

    Statt sich auf der horizontalen Ebene (Wer bringt den Müll raus?) zu verausgaben, gehen wir gemeinsam auf die vertikale Ebene:

    • Wer will ich in dieser Beziehung sein?

    • Was ist mein persönliches Wachstumsthema?

    • Was macht mich frei, nicht nur reaktiv?


Wie wir im Prozess arbeiten

In der Paartherapie arbeiten wir nicht nur kognitiv („Ach so, jetzt versteh ich's...“) – sondern auch emotional und körperlich spürbar. Dafür nutzen wir z. B.:

  • Paar-Skulpturen: Ihr stellt euch auf wie in einer Momentaufnahme eures Konflikts – mit Abstand, Blickrichtung, Haltung. Das macht Muster sichtbar.

  • Bodenanker: Jeder Konfliktpunkt bekommt im Raum einen Platz – ihr geht ihn körperlich ab, spürt, wo ihr feststeckt und was es braucht.

  • Arbeit mit inneren Anteilen: Wie im Artikel Streit in Beziehungen beschrieben, spürt ihr, welche Seite in euch da gerade spricht – und was sie braucht.

  • Neue Konfliktskripte: Wir probieren aus, wie ihr anders sprechen, zuhören und reagieren könnt – konkret und alltagsnah.


Beispiel aus der Praxis: Nähe vs. Rückzug

Lisa möchte über ihren Tag reden, wenn sie heimkommt. Tom will erstmal seine Ruhe. Lisa fühlt sich abgewiesen. Sie fragt nach – Tom wird genervt und zieht sich zurück. Lisa wird emotional, Tom geht innerlich auf Abstand. Beide fühlen sich unverstanden.

In der Paartherapie schauen wir:

  • Welche alten Erfahrungen stecken dahinter?

  • Was braucht der Teil in Lisa, der Nähe sucht?

  • Was braucht der Teil in Tom, der Ruhe will?

  • Wie könnten sie sich mitteilen, ohne in den Zirkel zu rutschen?

Ergebnis: Lisa sagt heute: „Ich spüre, dass ein Teil in mir gerade unbedingt Nähe will – kannst du nachher mit mir reden, wenn du etwas Luft hast?“ Tom antwortet: „Danke, dass du es so sagst – ich brauch kurz Zeit, dann bin ich ganz da.“

Kein Streit. Kein Rückzug. Verbindung.


Fazit: Wiederkehrende Streits sind kein Beziehungs-Aus – sondern ein Wegweiser

Wenn sich dieselben Konflikte wiederholen, ist das kein Zeichen dafür, dass eure Beziehung gescheitert ist. Sondern ein Hinweis: Hier will etwas wachsen. Etwas Altes zeigt sich – bei dir, bei euch. Und genau da kann neue Nähe entstehen.

 
 
 

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